Projektinfos  Ι  Project Information

Haupttelegrafenamt Berlin

Kenndaten
Bauherr:anonym
Nutzung:Büro
Lage:Berlin-Mitte
BGF:1.000 m²
Leistungsphasen Ausbau:1–8
Leistungsphasen Möbel:1–8
Fertigstellung:2025
Fotograf:Mark Seelen Photography
Raum im Dialog mit Ort und neuer Arbeitskultur
In der Mitte Berlins, wo Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen, wurde im neu ausgebauten Dachgeschoss eines historischen Telegraphenamts ein einzigartiger Arbeitsraum geschaffen, der Architektur als Netzwerk von Beziehungen begreift. Der Ausbau transformiert die besondere Topografie des Dachraums – mit seinen markanten Dachschrägen, Gauben und Loggien – zu einer räumlichen Choreografie, die den Dialog mit der Stadt sucht.

Arbeiten im Beziehungsgeflecht
Im Sinne einer relationalen Architektur wird der Innenraum nicht isoliert gedacht, sondern in Beziehung gesetzt: zur Stadtlandschaft, zum natürlichen Licht, zu den Bewegungen und Bedürfnissen seiner Nutzenden. Gauben und Loggien als vermittelnde Schwellen zwischen Innen und Außen schaffen Rückzugsorte, die das Verhältnis von Arbeit, Wahrnehmung und Stadtlandschaft neu ordnen. Sie öffnen Sichtachsen zu ikonografischen Bezugspunkten der Stadt - zur Synagoge, dem Berliner Fernsehturm über die Dächer der Museumsinsel -, die einen visuellen Resonanzraum schaffen und die Bürofläche im städtischen Dialog verankern.

Ein Dorf unterm Dach – Räume als Gastgeber
Die räumliche Dramaturgie entfaltet sich nicht hierarchisch, sondern dialogisch – sie steigert sich mit ihren Nutzer:innen, statt sie zu überformen. Das Bürokonzept antwortet auf die Bedürfnisse der Arbeitswelt von morgen, ist differenziert, dynamisch, beziehungsfähig. Die Räume folgen einer sozialen Logik nach dörflichem Vorbild – mit öffentlichen Plätzen, kommunikativen Wegen und privaten Rückzugsorten. Unterschiedliche räumliche Dichten erzeugen eine fein abgestimmte Dramaturgie aus Offenheit und Intimität: für Co-Kreation oder Konzentration, Gespräch oder Stille, für Begegnung oder Bewegung.

Licht choreografiert Atmosphäre
Die Inszenierung des Lichts ist ein zentrales Gestaltungsprinzip: Licht wird hier nicht nur geführt, sondern choreografiert. Das Wechselspiel der Lichtquellen macht die sinnliche Qualität der Architektur erfahrbar und schafft Resonanz – zwischen Raum und Rhythmus, zwischen Mensch und Moment. Tageslicht wird über variierende Öffnungen, schräge Flächen und lichtlenkende Materialien so moduliert, dass es atmosphärische Tiefe erzeugt. Das natürliche Lichtspiel antwortet auf die sich verändernden Lichtverhältnisse: es durchwandert den Raum, verändert sich über den Tag, tastet die Oberflächen ab und macht räumliche Bezüge spürbar. Diese Sinneswahrnehmung wird durch ein künstliches Lichtkonzept mit Linienleuchten in den Gauben, einer Grundbeleuchtung durch orthogonale L-Leuchten an der Stahlbetondecke sowie individuellen Tisch- und Objektleuchten erweitert.

Materialität und Nachhaltigkeit
Hochwertige Materialien wie Holz oder Corian, beständige Stoffe und langlebige Teppichfliesen vermitteln neben einer natürlichen Sinnlichkeit auch Langlebigkeit. Der bewusst sichtbare Rohbau - mit offener Betondeckenstruktur und sichtbaren Trägern und Stützen - im Kontrast zu filigranen Glas- und Detail-Inlays des denkmalgeschützten Hauses schafft eine raue, aber wertige Atmosphäre. Das biophile Design, mit natürlich inspirierten Materialstrukturen und nuanciert abgestuften Beige und Naturtönen, fördert das Wohlbefinden und unterstützt das Licht Schatten-Spiel der Architektur.

Narrative Raumsequenzen - Funktion trifft Identität
Der vorgefundene Rohbau wird nicht überformt, sondern beziehungsreich gewebt mit neuen Arbeitsformen. Das Projekt zeigt: Räume können kollaborative Kultur erlebbar machen, Interaktion fördern und neue Formen des Zusammenwirkens organisieren. Innerhalb des heterogenen Raum- und Beziehungsgeflechtes, das die dörflichen Strukturen und Gemeinschaften unterstreicht, stellt der Tunnel zwischen zwei Arbeitsbereichen mit seiner perspektivischen Verzerrung eine besondere Raumsequenz dar. Seine geometrische Verformung intensiviert die Wahrnehmung von Raum und Bewegung, erzeugt eine gezielte dramatische Überhöhung und macht die Durchquerung zu einem räumlichen Erlebnis. Bewegung und Übergang werden sinnliche und narrative Bestandteile des Büroalltags.

Architektur als Möglichmacher neuer Arbeitskultur
Dieser Ausbau ist ein Möglichkeitsraum für neue Formen der Zusammenarbeit. Der Ort erzählt davon, wie Räume Unternehmenskultur sichtbar werden lassen, wie Architektur Co-Kreation ermöglicht und Zugehörigkeit stärkt. Er öffnet den Blick für Verbindungen – zwischen Menschen, Vergangenheit und Zukunft. Dieser Dachgeschossausbau ist ein Plädoyer für Räume, die nicht nur gestaltet sind, sondern lebendig wirken, mit authentischen Räumen, die sich einmischen – nicht durch Lautstärke, sondern durch Bedeutung. Denn Architektur ist mehr als Raum. Sie ist Beziehung in gebauter Form.
Dates
Owner:anonymous
Use:Office
Location:Berlin-Mitte
GFA:1.000 m²
Service phases construction:1-8
Service phases furnitures:1-8
Completion date:2025
Photographer:Mark Seelen Photography